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Unfallversicherung  
09.12.2019

Wegeunfälle − schicksalhaft oder vermeidbar? (Teil 1 von 2)

Anke Schlüter
Keine Wegeunfälle mehr? (Foto: Lucian Alexe/Unsplash)
2008 hat die gesetzliche Unfallversicherung in Deutschland in ihrer Präventionsstrategie das Ziel verankert, Arbeits- und Lebenswelten so zu gestalten, dass niemand mehr getötet oder schwer verletzt wird oder beruflich bedingt erkrankt: die Vision Zero. Die Unfallversicherungsträger haben im Jahr 2017 allerdings 190.968 meldepflichtige Wegeunfälle registriert, davon 280 tödliche. Im Jahr 2018 stieg die Zahl der tödlichen Wegeunfälle auf 311 an. Es stellt sich die Frage, ob Vision Zero eine Utopie ist oder ein realistisches Ziel, das bis 2050 tatsächlich erreicht werden kann. Was wird zur Erreichung dieses Ziels getan?

Im ersten Teil des Beitrags wird dargestellt, wann ein Wegeunfall vorliegt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, wann der Weg zur Arbeitsstätte beginnt, was ein dritter Ort oder eine Unterbrechung ist, und welche Konsequenzen eine Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss hat. Dazu wird die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung skizziert. Im zweiten Teil im Januar-Newsletter soll dargestellt werden, welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um Wegeunfälle mit Toten oder Verletzten zu verhindern.

Definition des Wegeunfalls nach SGB VII
Der Wegeunfall ist ein Arbeitsunfall gem. § 8 Abs. 2 SGB VII. Im Gesetzestext wird das Wort „Wegeunfall“ nicht verwendet, wohl aber die „versicherte Tätigkeit“.

Diese ist definiert als 
1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit
2. das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a) Kinder von Versicherten, die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen, oder
b) mit anderen Berufstätigen gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
3. das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen, die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, dass die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen fremder Obhut anvertraut werden,
4. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5. das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

Obwohl die gesetzliche Regelung auf den ersten Blick sehr detailliert erscheint, gibt es sehr viele, auch höchstrichterliche Entscheidungen, welche grundsätzlich oder als Einzelfallentscheidung darlegen, wann ein Versicherungsfall vorliegt. 

Beginn des Arbeitsweges
Bereits mit der Frage, wo der Arbeitsweg beginnt, mussten sich die Gerichte schon häufig beschäftigen. Der Grundsatz lautet: Der Arbeitsweg beginnt mit dem Durchschreiten der Außentür des Wohnhauses und endet mit Durchschreiten des Werkstores. Dazu gibt es ein Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahr 1973 (Az.: 2 RU 167/72), das heute noch Bestand hat.

Bei diesem Urteil ging es um einen Arbeitnehmer, der zu Hause im Hausflur ins Stolpern kam und durch die Glasfüllung der Haustür fiel. Er zog sich vor der Haustür Schnittverletzungen zu. Wichtig in diesem Fall bezüglich der Anerkennung eines Wegeunfalls war, dass der Arbeitnehmer seine Verletzungen vor der Haustür damit außerhalb des häuslichen Bereichs erlitten hat. Einen ähnlichen Fall hatte das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg im Jahr 2012 zu entscheiden (Az.: L 2 U 3/12). Hier ist der Arbeitnehmer beim Verlassen des Hauses an der Türschwelle hängengeblieben, ist nach vorn gestürzt und hat sich das Knie verdreht. Im Leitsatz stellte das LSG klar, dass darauf abzustellen ist, wo und wann der Gesundheitsschaden eintritt.

Unerheblich ist, dass die Ursache des Sturzes noch im häuslichen Bereich gelegen hat. Doch auch das Durchschreiten der Haustür ist nicht ausnahmslos der Beginn des Arbeitsweges. Auch mit dem Verlassen des Hauses über ein Dachfenster kann der Arbeitsweg beginnen. So entschied  das BSG am 31.08.2017 (Az.: B2U2/16R). Der Versicherte konnte das Haus nicht durch die Außentür verlassen. Die Wohnungstür war versperrt, weil der Schlüssel abgebrochen war. Der Versicherte entschied sich, aus dem Dachfenster zu klettern und fiel herunter. Das BSG entschied, dass das Hinaussteigen aus dem Dachfenster der direkte Weg zum Ort der versicherten Tätigkeit ist. Das Fenster ist die mit der Außentür vergleichbare Grenze zwischen dem unversicherten häuslichen und dem versicherten öffentlichen Weg. Dritter Ort Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich, wenn der Arbeitsweg nicht von zu Hause angetreten wird, sondern von einem sog. dritten Ort. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 05.07.2016 (Az.: B 2 U 16/14R) entschieden, dass ein versicherter Weg zur Arbeitsstätte i.S. des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch von einem anderen Ort als der Wohnung angetreten werden kann. Die Norm legt als End- oder Ausgangspunkt des Weges nur den Ort der versicherten Tätigkeit fest, lässt aber offen, wo der Weg nach dem Ort der Tätigkeit beginnt oder wo der Weg von dem Ort der Tätigkeit endet. Es kommt dabei nicht darauf an, aus welchen Gründen sich der Versicherte an jenem Ort aufhält. Auch Wege von anderen Orten als dem häuslichen Bereich zum Ort der versicherten Tätigkeit werden nicht aus privaten Interessen unternommen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit und sind deshalb grundsätzlich auch von der gesetzlichen Unfallversicherung geschützt.

Zur Abgrenzung eines versicherten Weges mit einer unversicherten Unterbrechung an einem dritten Ort von einem erst an diesem Ort beginnenden versicherten Weg hat das BSG aus Gründen der Rechtssicherheit auf die Dauer des Aufenthalts an diesem sog. dritten Ort abgestellt. Der Aufenthalt an dem sog. dritten Ort muss mindestens zwei Stunden dauern (vgl. hierzu auch BSG vom 5.5.1998 – B 2 U 40/97 R). Zusätzlich ist allerdings dann noch zu prüfen, ob der Weg von einem dritten Ort in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise zurückzulegenden Arbeitsweg steht. Das BSG legt in seiner Entscheidung vom 02.05.2001 (Az.: B 2 U 33/00R) dar, dass Wege zum Ort der Tätigkeit, die nach einer rein eigenwirtschaftlichen Verrichtung vom dritten Ort angetreten werden, unter Versicherungsschutz stehen, wenn die Länge des Weges in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicher weise zur Arbeitsstätte zurückgelegten Weg steht. In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt handelte es sich um Entfernungen von üblicherweise 50 m zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie von 45 km zwischen dem dritten Ort und dem Ort der Tätigkeit. Hierbei wurde auch der erforderliche Zeitaufwand zur Bewältigung der Wege (50 m zu Fuß und 45 km mit dem PKW) berücksichtigt. Das Vorliegen eines angemessenen Verhältnisses wurde vom BSG verneint.

Unterbrechungen
Dauert der Aufenthalt an einem dritten Ort weniger als zwei Stunden, handelt es sich um eine Unterbrechung. Der Versicherungsschutz besteht, solange der Arbeitnehmer sich auf dem normalen Arbeitsweg befindet. Sobald er diesen Weg verlässt, endet der Versicherungsschutz und lebt wieder auf, sobald der Arbeitsnehmer wieder auf seinem Arbeitsweg befindet.

Versicherungsschutz auf dem Weg zur Arbeit bzw. von der Arbeit nach Hause besteht nur, wenn der Arbeitnehmer den direkten Weg wählt, was sich aus der Formulierung „unmittelbar“ ergibt.

Im § 8 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII hat der Gesetzgeber als Abweichungen vom direkten Weg anerkannt, ohne dass der Versicherungsschutz entfällt, wenn der Versicherte seine Kinder fremder Obhut anvertraut (Kita, Tagesmutter) oder bei Fahrgemeinschaften.

Bei anderen Unterbrechungen des direkten Weges, endet der Versicherungsschutz, es sei denn, es handelt sich um eine geringfügige Unterbrechung. Eine solche rechtlich nicht ins Gewicht fallende Unterbrechung wird vom BSG in seiner Entscheidung vom 09.12.2003 (Az.: B 2 U 23/03R) anerkannt, wenn „der in Rede stehende Vorgang bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist oder, anders gewendet, wenn die Besorgung hinsichtlich ihrer zeitlichen Dauer und der Art ihrer Erledigung keine erhebliche Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf die Arbeitsstätte darstellt, wobei als Beurteilungsmaßstab die allgemeine Verkehrsauffassung zugrunde zu legen ist. Geringfügig ist eine Unterbrechung nach diesen Kriterien, wenn die private Besorgung unmittelbar im Bereich der Straße und ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung, also gleichsam „im Vorbeigehen“, erledigt werden kann. In dem vorliegenden Fall hat das BSG den Versicherungsschutz verneint. Die Arbeitnehmerin wollte auf dem Weg von der Arbeitsstätte kurz vor dem Ziel einen Zwischenstopp einlegen und einkaufen. Sie fuhr an der gegenüber dem Geschäft liegenden Straßenmündung vorbei und parkte auf der rechten Fahrbahnseite in einer Parkbucht, ca. 97 m vom Geschäft entfernt. Beim Überqueren der Straße wurde sie von einem anderen  PKW erfasst und schwer verletzt. Das BSG argumentiert dahingehend, dass der Versicherte beim Verlassen des Fahrzeugs mit dem Ziel ein Geschäft aufzusuchen, dokumentiert, dass er sich nicht mehr auf dem versicherten Weg fortbewegen will. „Dabei spielt es keine Rolle, ob er das Fahrzeug in unmittelbarer Nähe des Geschäfts abstellt oder es in relativ größerer Entfernung – vor oder hinter dem Geschäft – parken kann. Denn das Risiko – zum Einkaufen – einen freien Parkplatz zu finden, ist nicht mehr der durch die versicherte Tätigkeit veranlassten Fortbewegung zuzurechnen, sondern allein dem eigenwirtschaftlich geprägten Wunsch, einen Einkauf durchzuführen. Erst dieser Wunsch führt überhaupt dazu, dass sich der Versicherte einen Park- bzw. Abstellplatz suchen muss. Auch das Zurücklegen des Fuß weges zwischen dem Fahrzeug und dem Geschäft ist allein der eigenwirtschaftlichen Verrichtung des Einkaufens und nicht mehr dem Zurücklegen des versicherten Weges zu dienen bestimmt.“ 

In seinem Urteil vom 04.07.2013 (Az.: B 2 U 3/13R) hat das BSG entschieden, dass bereits das Abbremsen des Fahrzeugs, um nach links in ein Privatgrundstück zum Einkauf von Erdbeeren abzubiegen, den versicherten Weg unterbricht, weil sich mit diesem nach außen beobachtbaren Verhalten die privatwirtschaftliche Handlungsmotivation dokumentiert. Das gleiche gilt für das Abbremsen, um nach links in die Tankstelle zu fahren, um das Fahrzeugs auf dem Weg zur Arbeit aufzutanken (Az.: B 2 U 12/12R, auch vom 04.07.2013).

Betriebsweg
Vom Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit ist der Betriebsweg zu unterscheiden. Betriebswege werden in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt und stehen damit der Betriebsarbeit gleich. Sie werden im unmittelbaren Interesse des Betriebes unternommen und unterscheiden sich vom Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit dadurch, dass sie nicht ausschließlich der versicherten Tätigkeit vorausgehen oder ihr sich anschließen. Sie sind nicht auf das Betriebsgelände beschränkt, sondern können auch außerhalb des Betriebsgeländes anfallen. Ein Betriebsweg kann auch unmittelbar von zu Hause aus angetreten werden, sofern auf konkrete Anordnung des Arbeitgebers unmittelbar mit der versicherten Tätigkeit begonnen wird (BSG, Az.: B 2 U 7/17R Rz. 12 vom 27.11.2018).

Bei einem Unfall auf dem Betriebsweg handelt es sich um einen Arbeitsunfall gem. § 8 Abs. 1 i . V. m. § 2 SGB VII. Die Abgrenzung ist wichtig
für die Haftungsbeschränkungen gem. §§ 104 ff. SGB VII. 

Diesem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin war Hauswirtschafterin. Während ihres Urlaubs hat sie den elektronischen Schlüssel zum Anwesen des Arbeitgebers bei ihren Eltern deponiert, weil sie ihn während ihrer Abwesenheit nicht in ihrem Fahrzeug lassen wollte, wo er sonst deponiert war. Außerdem stellte sie ihr Fahrzeug in der Garage der Eltern ab. Noch während ihres Urlaubs erhielt sie einen Anruf des Verwalters, dass sie zwei Tage eher ihre Arbeit wieder aufnehmen müsse, per SMS erhielt sie die Anweisung, für den darauffolgenden Tag das Mittagessen vorzubereiten. Sie begab sich zum Haus ihrer Eltern, um ihr Fahrzeug und den Schlüssel zum Anwesen zu holen. Anschließend wollte sie für das Mittagessen der Arbeitgeber einkaufen und dann zum Anwesen fahren. Auf der Treppe vor ihrem Elternhaus stürzte sie. Das BSG bejaht hier das Vorliegen eines Arbeitsunfalls. Die versicherte Tätigkeit der Klägerin begann mit dem Durchschreiten der Wohnungstür ihres Hauses, weil ihre Handlungstendenz darauf gerichtet war, sich unmittelbar mit dem bei den Eltern abgestellten Pkw zum Supermarkt zu begeben. Somit begann mit Verlassen ihres Wohnhauses der Vorgang des Einkaufens als die versicherte Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII (Rz. 14).

Fahren unter Alkoholeinfluss
Zuletzt soll noch dargestellt werden, ob das Fahren unter Alkoholeinfluss den Versicherungsschutz entfallen lässt. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 13.11.2012 (Az.: B 2 U 19/11R) dargelegt, dass selbst eine Blutalkoholkonzentration von 2,8 ‰ der Wegeunfallversicherung nicht entgegensteht, wenn die allgemeine „Wegefähigkeit“ des Versicherten nicht ausgeschlossen ist. Die Wegefähigkeit ist das Vermögen des Versicherten, den versicherten Heimweg willentlich und gezielt zurückzulegen. Für die Feststellung des Versicherungsfalls kommt es nicht darauf an, dass es sich um ein verbotswidriges Verhalten handelt.

Bei diesem Fall erlitt der Versicherte auf dem Weg von der Arbeitsstätte nach Hause einen tödlichen Verkehrsunfall. Er ist mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,8 ‰ von der Fahrbahn abgekommen und wurde aus dem Fahrzeug geschleudert. Technisches Versagen, widrige Straßenverhältnisse oder andere äußere Einflüsse auf die Fahrt wurden nicht festgestellt.

Das BSG stellte klar, dass die versicherte Tätigkeit die Einwirkung und in gleicher Weise muss die Einwirkung den Gesundheitsschaden bzw. den Tod des Versicherten sowohl objektiv als auch rechtlich wesentlich verursacht haben (Rz. 32). 

Die objektive Zurechnung wird bei jedem Umstand bejaht, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Nach der aus dem Strafrecht bekannten Äquivalenztheorie gelten alle solche Bedingungen als gleichwertig (äquivalent). Schon deshalb gelten sie rechtlich als Ursachen. Um diesen weiten Ursachenbegriff einzuschränken, stellt das BSG auf den Schutzzweck des § 8 Abs. 2 SGB VII ab. Danach ist nicht der Weg an sich versichert, sondern dessen Zurücklegen. „Der Versicherungstatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII trägt daher allein Gefahren Rechnung, die sich während der gezielten Fortbewegung im Verkehr aus eigenem, gegebenenfalls auch verbotswidrigem Verhalten, dem Verkehrshandeln anderer Verkehrsteilnehmer oder Einflüssen auf das versicherte Zurücklegen des Weges ergeben, die aus dem benutzten Verkehrsraum oder Verkehrsmittel auf die Fortbewegung wirken“ (Rz. 47). Für Schäden, die außerhalb des Schutzzwecks der Norm liegen, muss der jeweils zuständige Unfallversicherungsträger nicht einstehen (Rz. 40).

Das BSG kam zu dem Ergebnis, dass das Zurücklegen des Heimweges zwar Grundbedingung für das Abkommen von der Straße war. Es hat sich aber keine Gefahr realisiert, vor der § 8 Abs. 2 SGB VII schützen soll. Die Unfallversicherung des Zurücklegens des Weges nach und von dem Ort der (jeweiligen) versicherten Tätigkeit schützt nur vor Gefahren für Gesundheit und Leben, die aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr als Fußgänger oder Benutzer eines Verkehrsmittels, also aus eigenem oder fremden Verkehrsverhalten oder äußeren Einflüssen durch die Beschaffenheit des Verkehrsraumes hervorgehen (Rz. 45).

Eine Verkehrsgefahr, die sich erst und allein aus der unversicherten Tätigkeit des Alkoholgenusses ergibt, eröffnet schon nicht den Schutz der Wegeunfallversicherung. Der Alkoholkonsum des Versicherten eröffnete vielmehr einen versicherungsfremden Gefahrenbereich, der allein mit dem Zurücklegen des Weges im Pkw nicht gegeben war und damit vom Schutzzweck der Wegeunfallversicherung nicht erfasst ist.

In einem anderen Fall wurde das Vorliegen eines Arbeitsunfalls bejaht. Hier war der Versicherte auf dem Heimweg nach der Spätschicht in einer Rechtskurve mit einem Gefälle von 2% von der Straße abgekommen und überschlug sich mehrmals. Seitdem ist er querschnittsgelähmt. Beim Versicherten wurden eine Blutalkoholkonzentration von 0,44 ‰ und eine THC-Konzentration von 1 ng/ml festgestellt. 

Hier betont das BSG, dass die für die Annahme eines Arbeitsunfalls erforderliche Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis stets gegeben ist, wenn außer dem kausalen Anknüpfungspunkt der versicherten Tätigkeit keine anderen Tatsachen festgestellt sind, die als Konkurrenzursachen wirksam geworden sein könnten. Kann eine in Betracht zu ziehende Konkurrenzursache in ihrer Grundvoraussetzung nicht festgestellt werden, scheidet sie bereits als Ursache aus. Jede andere Betrachtung würde dem Versicherten die objektive Beweislast dafür auferlegen, warum es gerade zu diesem Zeitpunkt aufgrund von Ursachen, die der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind, zu dem Unfall gekommen ist, und damit den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung und die mit ihm verfolgten Ziele des sozialen Schutzes in vielen Fällen leerlaufen lassen (Az.: B 2 U 23/05R vom 30.01.2007, Rz. 14 und 15).

Das BSG kommt zu dem Ergebnis, dass dem Drogen- und Alkoholeinfluss bei den gemessenen Werten keine derart überragende Bedeutung für den Unfall beizumessen ist, dass sie als rechtlich allein wesentliche Ursache das Zurücklegen des versicherten Weges zur Gelegenheitsursache
werden lassen (Rz. 19). Dies wäre nur der Fall gewesen, wenn es typische Ausfallerscheinungen gegeben hätte.

Als Ergebnis lässt sich feststellen, dass das Fahren unter Drogen- oder Alkoholeinfluss nicht automatisch zum Wegfall des Versicherungsschutzes kommt. Es muss in jedem Einzelfall die Wesentlichkeit verschiedener Unfallursachen geprüft werden.

Die Autorin

Anke Schlüter, Juristin, Bachelorstudiengang der Sicherheitstechnik an der Bergischen Universität Wuppertal im Juli 2018 bei Prof. Dr. Ralf Pieper abgeschlossen. Thema der Abschlussarbeit war „Arbeitsschutzbezogene Anforderungen an Arbeitsplätze auf Autobahnbaustellen“.

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