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Kindergärten, Hochschulen und Schulen unterliegen häufig einem Sanierungsstau, der im Zuge der in Deutschland obligaten energetischen Sanierung der Gebäude aufgelöst werden soll. Energetische Sanierungen besitzen hohe politische und gesellschaftliche Relevanz, gleichwohl unterliegt die sicherheitstechnische Sanierung der Bildungseinrichtungen einem ebenso hohen, wenn nicht gar höheren gesellschaftlichen Anspruch.
Der Umfang der sicherheitstechnischen Ertüchtigung ist für jeden Einzelfall von den verantwortlichen Planern festzulegen. Hierbei müssen sie das richtige Maß finden, was eine komplexe Aufgabe ist, die sich nicht allein auf das bloße Umsetzen abstrakter Vorschriften beschränken lässt. Es gilt der Grundsatz: Die Vollkommenheit im Brandschutz entsteht keinesfalls dann, wenn man nichts mehr hinzufügen könnte, sondern sie ist dann erreicht, wenn auf nichts mehr verzichtet werden kann. Werden die Entscheidungen zum Umfang brandschutztechnischer Sanierungen von Kindergärten, Schulen und Hochschulen auf dieser Basis getroffen, scheint ein vertretbares Niveau erreichbar.
Die allgemein bekannten Schutzziele nach § 14 MBO gelten bei der Sicherheitsüberprüfung von Kindergärten, Schulen und
Hochschulen als Aufgabenstellung.
Ermessenspielraum und Handlungsgebot
Bei der Sanierung von Kindergärten, Schulen und Hochschulen ist ein eigenverantwortliches, planerisches Ermessen über
zwingende Notwendigkeiten von materiellrechtlichen Forderungen und technischen Regeln, über mögliche konstruktive Abschläge und über nutzungsspezifische Einschränkungen erforderlich. Von einem Architekten, Ingenieur oder einem Brandschutzsachverständigen kann und muss erwartet werden, dass er die Grenzen eines Handlungs- und Ermessensspielraums im konkreten Einzelfall erkennt und in Hinsicht auf Zweck und Ziel der entsprechenden Vorschrift einzuschätzen vermag. Dazu gehört, dass unverzichtbare Notwendigkeiten durchgesetzt werden. Dazu gehört auch, dass von einer unzweckmäßigen bzw. nicht zielführenden Regel Abstand genommen wird.
Leider zeigt sich in der Praxis, dass die am Bau Beteiligten gerade unter dem Eindruck einer Rechtsprechung, die den DIN-Vorschriften einen weit größeren Respekt einräumt als den ungeschriebenen allgemein anerkannten Regeln der Technik und dem eigenverantwortlichen planerischen Ermessen, diesem Anspruch nicht mehr gerecht werden können oder wollen. Insofern muss der risikogerechte und schutzzielorientierte Planungsansatz weiter diskutiert und praktisch angewendet werden. Grundsätzlich ist es aus Sicht des Gesetzgebers nicht entscheidend, wie eine rechtliche Forderung technisch umgesetzt wird, sondern dass sie erfüllt wird. Diesem Grundsatz folgend werden in der MBO in der Fassung von 2002 vorrangig Schutzziele definiert. Diese Schutzziele sind als Aufgabestellung (siehe Abb. 1) zu verstehen. Jede Maßnahme, jede Argumentationskette, jede Entscheidung, jeder Verzicht, jede andere Lösung müssen sich am Erfüllungsgrad dieser Schutzziele messen lassen.
Eine sachverständige Beurteilung des Bestandschutzes, die letztlich in der belastbaren Erkenntnis über die tatsächlich vorhandene konkrete Gefahr mündet, ist für jeden Einzelfall unabdingbar. Nur die im Einzelfall nachgewiesene, konkrete Gefahr rechtfertigt ein nachträgliches Anpassungsverlangen.
Fristen für das Anpassungsverlangen
Dem Anpassungsverlangen bzw. der Nachrüstungspflicht ist innerhalb einer angemessenen Frist nachzukommen. Häufig wird dabei das unverzügliche Handeln verlangt. Wie lange ein konkret gefährdender Zustand geduldet werden kann (siehe Abb. 2) bzw. wie schnell unverzüglich ist, wird durch die Legaldefinition dieses unbestimmten Rechtbegriffes gemäß § 121 (1) Satz 1 BGB klargestellt. Demnach bedeutet unverzügliches Handeln „ohne schuldhaftes Verzögern“, wobei die „subjektive Zumutbarkeit des alsbaldigen Handelns“ zu berücksichtigen ist. Unverzügliches Handeln ist nicht gleichbedeutend mit sofortigem Handeln. Beispielsweise ist das Hinzuziehen juristischen Beistands oder die notwendige Planungs- und Arbeitsvorbereitung in ausreichendem Umfang einzuräumen. Die im allgemeinen Zivilrecht häufig angesetzte Frist von 2 Wochen scheint in brandschutzrechtlichen Dingen zu kurz gefasst zu sein, hier sind längere Fristen (im Einzelfall bis zu 3 Monaten) praktikabel.
Rechtliche Einordnung von Bildungseinrichtungen
Für Kindergärten, Schulen und Hochschulen sind zunächst eine bauordnungsrechtliche Klassifizierung und Einordnung vorzunehmen. Grundsätzlich ist dabei die jeweilige Landesbauordnung [5] maßgebend. Darin werden im § 2 (3) MBO die fünf Gebäudeklassen [6] sowie in § 2 (4) MBO die 18 Sonderbauten definiert. Kindergärten und Schulen sind Sonderbauten nach § 2 (4) Nr. 10 und Nr. 11 MBO.
Sodann ergibt sich die Notwendigkeit, den Geltungsbereich der infrage kommenden Sonderbauvorschriften genau mit der geplanten Nutzung zu vergleichen. Dieser Vergleich muss auf einer Nutzer- bzw. Nutzungsbeschreibung basieren.
Die Nutzerangaben in Kindergärten sind sicher in typischer Weise eindeutig. Schwieriger stellt sich die Situation in multifunktional nutzbaren Bereichen dar, wie etwa Mehrzweck- oder Turnhallen, Aulen, Foyers, Club-, Veranstaltungs- oder Ausstellungsräumen sowie überdachten Lichthöfen. Nicht selten soll die gesamte Nutzungsvielfalt erhalten, aber die Anwendung der Versammlungsstättenverordnung ausgeschlossen werden. Dieses Nutzerbegehren resultiert nicht allein aus dem möglichen Verzicht auf die damit verbundenen vermeintlich höheren Brandschutzanforderungen sondern auch aus den nicht unerheblichen sonstigen baurechtlichen Konsequenzen, die mit einer Einordnung als Versammlungsstätte verbunden sind. Die häufig antragsgegenständlichen „199 Besucher“ in der Mehrzweckhalle oder der Aula sind unter diesem Blickwinkel möglicher Weise verständlich, hinsichtlich der Nutzungseinschränkungen aber sicher langfristig fragwürdig.
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